-12°C, der Boden gefroren. Das beste Wetter um im Wald zu arbeiten. Jedoch, wenige hundert Meter hinter der Garage steht mal wieder der Traktor. Diesel ausgeflockt, versulzt. Nichts geht mehr. Trotz Winterdiesel der angeblich bis -20°C (oder darüber hinaus) funktionieren soll. So erging es vielen z.B. im Winter 2011/2012, auch vielen Autofahrern.
Wie kann das sein?
- Natürlich der getankte Diesel
- Der Biodieselanteil von 7% (je nach Sorte),
- Die Tankstelle
- Der Hersteller des Fahrzeugs der konstruktiv irgendwo Murks gebaut haben könnte
- Der Dieselfilterhersteller
- Der Gesetzgeber der die Anforderungen an den Diesel festlegt und zu niedrige Anforderungen gemacht haben könnte zu Lasten des Diesel tankenden Kunden.
- Der Fahrer hat etwas falsch gemacht.
Ein Anlass sich mal mit dem Thema zu beschäftigen, nicht zuletzt deswegen weil ich das Problem schließlich seinerzeit loswerden wollte.
Zunächst mal das Offensichtliche: Die gut geladene Batterie hat dank Batterieladegerät mit Erhaltungsfunktion keine Mühe den Motor zum laufen zu bekommen. Nachdem dieser läuft übernimmt die Lichtmaschine die Stromversorgung. Abfahrt. Nach wenigen Hundert Metern verliert der Motor langsam Leistung und geht dann ganz aus. Danach lässt er sich trotz längerem "orgeln" des Starters nur kurz zum Leben erwecken. Das einzige was hier hilft ist Abschleppen. Die "alten Hasen" im Ort wissen natürlich was hier los ist. Der Diesel ist versulzt (Paraffin > Wachskristalle). Ein Blick in den Tank verrät folgendes: Eine feine Schicht an der Oberfläche und eine milchig weiße abgesetzte Schicht am Boden des Tanks. Im "Schauglas/Vorfilter"(direkt am Tank) kann man zusätzlich abgesetztes gefrorenes Wasser sehen. Bei -12°C nicht verwunderlich. Am Schauglas unterhalb des Dieselfilter kann man ebenfalls das milchige Sediment sehen. Montiert man den Filter ab kommt einem der Sulz aus dem Filter entgegen....
Wie wird man das Problem (zunächst) los ?
Da sich die Kristalle erst bei höherer Temperatur wieder auflösen muss der Traktor in eine warme Garage. Reinstellen und einfach abwarten. Wenn es schneller gehen muss: Tank leerpumpen und Diesel ins warme Stellen. Darauf achten das nirgendwo Luft ins System kommt, sonst hat man gleich das nächste Problem.. Filter vorsichtig mit dem Fön, keinesfalls Heißluftfön oder offener Flamme, anwärmen. Man kann natürlich auch den Filter wechseln, notwendig ist das allerdings nicht, da der Filter keinen Schaden nimmt. Geht aber natürlich schneller als mit dem Fön den Filter zu erwärmen.
Wurde damit aber die Ursache behoben ? Natürlich nicht! Das Problem wird sich unter gleichen Außenbedingungen exakt genau so wiederholen da man an den Gegebenheiten nichts geändert hat. Der neue Filter wird dazu wenig bis nichts beitragen. Man wird also wieder liegen bleiben.
Ursachen:
Bekannt ist, dass es an der Tankstelle in Deutschland, abhängig von der Jahreszeit, unterschiedlichen Diesel gibt:
Bezeichnung CFPP-Wert Zeitraum
Sommerdiesel 0 °C 15.04. – 30.09.
Übergangszeit −10 °C 01.10. – 15.11.
Winterdiesel −20 °C 16.11. – 28.02.
Übergangszeit −10 °C 01.03. – 14.04
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Winterdiesel
Wie kann es also sein, dass der Winterdiesel bei -12°C versulzt wenn der CFPP Wert -20°C ist?
Dazu muss man sich zunächst klar machen was der CFPP-Wert (Cold Filter Plugging Point,) überhaupt ist. Der Wert gibt die Filtrierbarkeitsgrenze an, bei dem ein Prüffilter unter definierten Bedingungen verstopft.
"Der Cold Filter Plugging Point (CFPP) - der Temperaturgrenzwert der Filtrierbarkeit –
wird bei Dieselkraftstoffen und Heizölen nach der EN 116: 1997-11-01 bestimmt. Bei
dieser Analyse wird eine Kraftstoffprobe abgekühlt und bei jedem Grad bei einem
Unterdruck von 200 mm Wassersäule durch ein Drahtsieb mit einer Maschenweite
von 45 μm gesaugt. Wenn innerhalb einer Minute ein Volumen von 20 ml Kraftstoff
nicht mehr durch das genormte Drahtsieb gesaugt werden kann, ist der Temperaturgrenzwert
der Filtrierbarkeit dieser Probe erreicht"
Quelle: https://zidapps.boku.ac.at/abstracts/download.php?dataset_id=7340&property_id=107
siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Filtrierbarkeitsgrenze
Ergebnis: Der Filter mit dem im Labor getestet wird hat 45µm (0,045mm).
Quelle 2: Handbuch Dieselmotoren S.100/101 Auszug: http://goo.gl/T3gmj
Dort wird auch kurz auf das Thema Einfluss der Motorwärme (Filterposition) u. Filterheizung eingegangen. Dazu später mehr.
Die Frage die man sich nun stellen sollte, entsprechen die Prüfbedingungen den Bedingungen im Fahrzeug (Traktor)?
Die heute verbauten Filter im Fahrzeug sind deutlich feiner, sprich im Bereich 10µm, die meisten für neuere Diesel noch feiner, also 3µm. Pumpe-Düse und Common Rail lassen grüßen.
Quelle: http://www.kfztech.de/gast/zeuschner/dieselfilter.htm
Dieser 4,5 bis15 fache Unterschied zwischen Test und "Realität" trägt meiner Meinung nach maßgeblich dazu bei, erklärt aber noch nicht allein wieso es zu Problemen kommt. Mit -12°C liegt man schließlich noch oberhalb von -20°C.
Dazu passend folgendes Bild was bei -11,7°C entstanden sein soll - man erkennt deutlich den abgesetzten "Sulz": http://up.picr.de/9560819vqt.jpg
Nun, der entscheidende Punkt, sogar im wörtlichen Sinn, ist der CP - Cloud Point. Das ist die Temperatur an dem die Ausscheidung von Kristallen im Diesel beginnt.
siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Cloudpoint
Damit lässt sich erklären warum die Probleme durchaus schon bei einstelligen Minusgraden beginnen können. Ausführlich erklärt auch hier:
http://opus.ub.uni-bayreuth.de/volltexte/2004/122/
Bei einem Diesel Anbieter (ARAL) selbst finden sich folgende Angaben:
"Kältefestigkeit"
Filtrierbarkeit (CFPP) °C
Sommerdiesel 0 bis – 10
Winterdiesel –20 bis –28
Beginn Paraffinausscheidung (CP) °C
Sommerdiesel 0 bis +5
Winterdiesel –5 bis –10
Quelle: Aral Dieselkraftstoff Broschüre Seite 37 http://www.aral.de/assets/bp_internet/aral/aral_de/STAGING/local_assets/downloads_pdfs/d/Dieselkraftstoff_Broschuere.pdf
Der ADAC kommentiert die Zusammenhänge ohne weitere Angaben schlicht und ergreifend mit:
"Auf die Norm ist kein Verlass"
Quelle: https://www.adac.de/infotestrat/adac-im-einsatz/motorwelt/Winterdiesel_Test.aspx?ComponentId=160288&SourcePageId=6729
Wen interessieren heute schon Details oder wer daran Schuld ist....? Von einer Lösung ganz zu schweigen.
Auch hierzu lohnt nochmal ein kurzer Blick in die Wikipedia:
"In Australien wird der CFPP-Wert typisch auf 2 °C unter dem Cloudpoint gelegt."
Quelle:https://de.wikipedia.org/wiki/Winterdiesel
Man sieht also das die Australier etwas anderes an die Sache herangehen.
Davon abgesehen das die Norm auch noch Klassen für tiefere Temperaturen kennt ( siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/EN_590 ) bleibt abzuwarten ob realistischere Testbedingungen geschaffen werden und ob neben dem CFPP auch der CP stärker gewichtet wird. Eine Stelle an der es hapert ist damit schonmal klar...
Weitere Verdächtige:
Eingangs habe ich erwähnt das im Vorfilter auch abgesetztes Wasser gefroren war. Das (gefrorene) Wasser trägt, je nach Filterkonstruktion, natürlich dazu bei das auch der Filter selbst an Fläche verliert / verstopft. Möglich aber unwahrscheinlich dürfte sein das die Tankstelle Diesel "verzapft" der einen deutlich erhöhten Wasseranteil hat. Verglichen mit der Menge an entstehenden Paraffinkristallen spielt das nach meiner Beobachtung aber eine untergeordnete Rolle. Dennoch lohnt es sich das mal etwas näher hinzuschauen. In der Wikipedia findet man dazu einen interessanten Hinweis:
"Daneben dienen die senkrecht installierten Filtergehäuse zur Abscheidung von spezifisch schwererem Wasser, das durch Kondensation von Luftfeuchtigkeit oder mangelhafte Treibstoffqualität eingebracht wurde. Dieses Wasser sammelt sich auf dem Filtergrund an. Im Rahmen der regelmäßigen Wartung kann eventuell vorhandenes Wasser über eine häufig drehbare Vorrichtung abgelassen werden. Insbesondere bei der Verwendung des stark hygroskopischen Biodiesel können verkürzte Wartungsintervalle erforderlich werden."
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kraftstofffilter
Weiter dazu findet sich bei einem Filterhersteller folgendes:
"Eine schlechte Kraftstoffqualität mit einem hohen Anteil an Wasser kann dafür ebenso die Ursache sein, wie die Falschbetankung oder der Eintrag von Wasser über die Tankbelüftung und Kondensation. Zu den Folgen zählen Korrosion und Kavitationseffekte an Injektoren, Ventilen und der Einspritzpumpe – die bis zum Systemausfall führen können. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass freies Wasser mikrobiologische Wachstums- und Korrosionsprozesse verursacht, die häufig zu vorzeitigem Verblocken des Kraftstofffilters [...] führen."
Quelle: https://www.mann-hummel.com/de/corp/aktuelles/news/newsdetails/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=809&cHash=3f00cb5b8f0b9adac682f2f09cca13be
Hier kommen also mehrere Punkte zusammen. Durch den mittlerweile üblichen Biodieselanteil von 7% hat man früher oder später mehr Wasser im Diesel, der Biodiesel in Kombination mit dem höheren Wasser führt zu einem ganz anderen Problem, zu einem Wachstum von Bakterien und Pilzen im Diesel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Dieselpest
Ein Problem das unter vielen Motorbootfahreren oder denen die andere Dieselmotoren selten benutzen bekannt ist. Auch ich kann ein Lied davon singen nachdem ich die braune Pampe in einem Spätsommer aus dem Kraftstoffsystem entfernen musste (Tank leer machen, Filter wechseln etc.) - Die Sommervariante der Versulzung. Lange Rede kurzer Sinn, diese Zusammenhänge (Wasser/Biodiesel/Dieselpest) kann im Winter auch ihren Teil dazu beitragen das man eben nun noch "etwas früher" liegen bleibt - wenn nicht sogar bereits im Sommer.
Zu den Wintereigenschaften von Biodiesel finden sich hier eine Menge Informationen:
https://zidapps.boku.ac.at/abstracts/download.php?dataset_id=7340&property_id=107
Hat der Fahrzeughersteller einen Einfluss?
In Fahrzeugen ist meistens eine Kraftstoffvorwärmung (z.B. Filterheizung bzw. Dieselheizung) verbaut. Sprich der durch die Kraftstoffleitung bzw. den Filter fließende Diesel wird erwärmt. Je nach Leistung und Einbausituation kann damit die Einsatzgrenze mehr oder weniger weit nach unten verschoben werden, oder sogar die vorhandene Ausflockung beseitigt werden. Das erklärt warum manche Hersteller im inter mehr, andere weniger Probleme haben. Also das eine Fahrzeug bei -12°C, das andere bei -28°C liegen bleibt.
Wenn die Entnahme im Tank, die meistens unten und nicht per Schwimmer erfolgt, es aber bereits mit einem stark ausgeflocktem Tank zu tun hat ist es nicht überraschend wenn eine Filterheizung mit geringer Leistung hier keine Abhilfe mehr schafft - oder das Kraftstoffsystem womöglich an ganz anderer Stelle verstopft.
Das man Informationen dazu nicht in einem "Auto-Hochglanzprospekt" findet verwundert sicher niemanden...
Lösungen - Was tun wenn man davon abhängig ist was die Tankstelle liefert?
Zunächst sollte man natürlich dafür sorge tragen das man nicht im kalten Winter mit Sommerdiesel unterwegs ist. Das "einlagern" von Winterdiesel, erst recht mit Biodieselanteil, für den nächsten Winter, kann allerdings einen erhöhten Wasseranteil und die Dieselpest zur Folge haben. Ein Wort zur Warnung: Das Problem der Versulzung im Winter lässt sich wesentlich einfacher in den Griff bekommen als wenn man erstmal von der Dieselpest betroffen ist!
Ich verwende mittlerweile nur noch ARAL Ulimate Diesel. Nicht weil ich mit ARAL verbandelt bin, sondern diese Dieselsorte hat zwei Vorteile für meinen Traktor: Zum einen wird sie ganzjährig in "Winterqualität (-24°C)" angeboten - wenn auch hier der Cloud Point höher liegt. Das hat den Zweck das ich mir keine Gedanken um Sommerdieselreste im Tank machen muss. Zum anderen ist ARAL Ultimate Diesel frei von Biodiesel!
" Dem Hochleistungskraftstoff Aral Ultimate Diesel wird in der Regel kein Biodiesel zugesetzt, er kann aber Spuren von FAME enthalten."
Quelle: http://www.aral.de/de/retail/kraftstoffe-und-preise/unsere-kraftstoffe/biogene-kraftstoffzusaetze.html
Trotz fehlendem Biodiesel setze ich, nach einer Dieselpestepisode, dem Diesel ein Mittel gegen "mikrobielle Kontamination" zu (Grotamar). Reine Vorsorge. Seit dem ist Ruhe! Da mein Traktor vergleichsweise wenig läuft spielen die höheren Kosten des Diesel und des Grotamar durch den geringen Gesamtverbrauch keine Rolle. Randnotiz: Es hat, neben den Kosten, schon seine Gründe warum in der Allgemeinen Luftfahrt (JET A1) kein "Biosprit" zugemischt wird...
Sind allein dadurch sämtliche meiner Probleme behoben? Jein, mit der Dieselpest habe ich keine Probleme mehr. An der CFPP / CP Problematik / Norm bzw. daran was die Tankstellen liefern müssen ändert sich scheinbar nichts. Eine einfache Lösung - Polardiesel z.B. Klasse 2 (CFPP -32°C CP -20°C) (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/EN_590 ) wird es hier Deutschland so schnell sicher auch nicht geben. Leider.
Um das eigentliche Problem in den Griff zu bekommen blieb mir also nur das nachrüsten einer Kraftstoffvorwärmung - ABE (Allgemeine Betriebserlaubnis) inklusive. In diesem Fall eine Diesel-Therm. Die schalte ich bei Bedarf zu. Mehr Infos beim Hersteller: http://www.diesel-therm.de/
Ergebnis: Kurz und knapp: Liegen bleiben abgestellt. Der nächste kalte Winter kann gerne kommen und die Dieselpest kann mir auch gestohlen bleiben!
Für diejenigen die aus Kostengründen weder ARAL-Ultimate noch eine (zusätzliche) Kraftstoffvorwärmung einsetzen möchten kann ein Fließverbesserer durchaus etwas bewirken. Mit z.B. "Liqui Moly Diesel Fließ-Fit" lässt sich Diesel laut Hersteller bis zu -31°C "fit" machen. Wichtiger Hinweis: Sind die Kristalle allerdings erst mal ausgeflockt kann man sie mit Fließverbesserer im kalten Zustand nicht wieder auflösen! zudem soltle man sich bewusst machen, dass man im wesentlichen den CFPP-Wert und nicht den CP Wert verbessert. Allerdings bekommt man damit im vorhinein ggf. einen Rest Übergangsdiesel oder gar Sommerdiesel im Tank ein Stück weit, je nach Temperatur, in den Griff.